Das Stop Loss - ein Mittel zur Verlustbegrenzung?

Verluste begrenzen

Dass man an der Börse nicht nur Geld verdienen, sondern auch verlieren kann, ist bekannt. Geht der Anleger davon aus, dass das profitable angedachte Investment sich als künftiger Verlustbringer erweisen wird, soll nach einer einfachen Regel die Reißleine gezogen werden: die Stop-Loss-Order. Sollte der Kurs also unter ein bestimmtes Niveau fallen, wird die Aktie bzw. der Finanztitel "bestens" verkauft. Anzumerken ist hierzu noch, dass es sich bei diesem Limit um eine Aktivierungsschwelle handelt. Die Abrechnung der Order erfolgt also zum nächsten Kurs nach der Aktivierung, welcher auch deutlich unter diesem Limit liegen kann. Es stellt sich die Frage, wie gut eine solche Verkaufsorder im Sinne eines nachhaltig profitablen Handelns generell funktioniert.

Ausstoppen vermeiden

Modifiziert werden kann diese einfache Verkaufsregel noch hinsichtlich des Referenzkurses, anhand des Einstiegskurses oder bezüglich des aktuellen Kurses. Letzteres bedeutet ein Nachziehen des Stop Loss (Trailing Stop, automatisch nachgezogene Stop-Loss-Order). Sofern der Broker diese Order anbietet, scheint sie die perfekte Umsetzung der Regel: "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen". Welcher Kursverlust sollte nun hingenommen werden, bevor ein Verkauf ausgelöst wird? Ein temporärer Rücksetzer sollte natürlich keinen Verkauf auslösen, ebenso müssen unnötig hohe Kursverluste vermieden werden. Es erscheint sinnvoll, die Volatilität (Schwankungsbreite bzw. Schwankungsstärke) der Aktie in die Berechnung einfließen lassen. Bei einem schwankungsstärkeren Kurs ist das Stop Loss deshalb tiefer anzusetzen. Bei einem gleichen prozentualen Stop Loss wie dem einer Aktie mit geringer Volatilität würde die Position sonst schnell ausgestoppt.

Momentum als Stop

Der Einsatz eines fixen oder aber auch volatlitätsabhängigen Trailing-Stop ist weit verbreitet, er wird in der einschlägigen Literatur häufig erwähnt. Im Grunde handelt es sich hierbei um einen mehr oder weniger einfachen Momentum-Indikator als Verkaufsregel. Statt einer bestimmten Verlustspanne, beruhend auf einer Momentum-Regel, könnten aber auch andere Grenzen ins Kalkül gezogen werden. So wäre bspw. ein Stop Loss knapp unter einer starken Kursunterstützung, z.B. einer Widerstandszone, denkbar. Überlegenswert wäre auch der untere Rand einer längerfristig ausgebildeten Handelsspanne, eines Trendkanals, einer charttechnischen Formation oder eine Kombination spezifischer technischer Indikatoren.

Handeln erfolgt nach Regeln

Die Definition eines Stop Loss kann also auch komplizierter ausgestaltet sein. Aber reichen die vorangegangenen Betrachtungen für ein dauerhaft (besser: im Durchschnitt) erfolgreiches Handeln aus? Letztlich ist das Stop Loss ja nichts anderes als der Ausstieg aus einer Handelsposition. Und dieser sollte genauso wie der Einstieg gut überlegt sein. Alles Handeln folgt letztlich Regeln, einem Regelwerk, das eine gewisse Komplexität besitzt. Das gilt für den Alltag und genau so wie den Handel an der Börse. An der Börse herrscht Wettbewerb, Anleger, Trader konkurrieren um die Ressource Geld. Das Mittel der Auseinandersetzung sind Handelsregeln, die bessere gewinnt. Handelsregeln und Handelssysteme müssen zwangsläufig eine gewisse Mindest-Komplexität besitzen. Warum sollte der Ausstieg, das Stop Loss, einfacher als der Einstieg konstruiert sein? Für die Realisierung eines Börsengewinnes sind Kauf- und Verkaufsentscheidung untrennbar miteinander verbunden. Eine positive Handelsposition ist nur ein Gewinn auf dem Papier. Erst der Verkauf führt zu einem tatsächlichen Gewinn.

Regeln sind Prognosen

Jedes Regelwerk ist letztlich eine Prognose auf die zukünftige Kursentwicklung. Eine Verkaufsentscheidung impliziert die Erwartung fallender Kurse. Sind diese wirklich einfacher zu prognostizieren? Wäre dies der Fall, wären Leerverkäufe auf Aktien einfacher als das Trading auf steigende Aktienkurse. Ein solche These lässt sich empirisch nicht bestätigen, ein effizienter Markt lässt diese Schlussfolgerung nicht zu. Im Fall des Handels mit Devisen ist der Markt prinzipiell symmetrisch, eine Devise notiert hier im Verhältnis zur Anderen immer invers.

Fazit

Einfache Momentum-basierte Ausstiegsregeln erscheinen suboptimal. Die Verkauf einer Aktie muss auf einer fundierten Kursprognose oder Handelsstrategie basieren. Eine getrennte Unterscheidung eines Verkaufssignals in eine Standard- und eine Notfallvariante ist logisch nicht konsistent. Die Auflösung einer Handelsposition muss allein auf der Annahme einer auf absehbaren Zeit negativen Kursentwicklung beruhen. Die Stärke der aktuellen negativen Kursbewegung, des Momentums, dürfte in den meisten Fällen kein ausreichendes Prognosekriterium sein. Da Aktienkurse skaleninvariant sind, also auf verschiedenen Zeitebenen vom Prinzip her das gleiche Bild ergeben, ist der Handels- bzw. Anlagehorizont für das Verständnis der Stop-Loss-Thematik irrelevant. Der Verkauf sollte allein auf Grund einer fundierten negativen Zukunftseinschätzung erfolgen.

 

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